17.55 Uhr. Ich betrete das Klassenzimmer der Berufsschule. Heizung voll Pulle, Fenster sperrangelweit offen. Verschwende kurz einen Gedanken an Umweltschutz und nachhaltiges Handeln, bevor ich wider aller Hoffnung „Hallo“ in den Raum rufe. Man sieht mich, hört mich, ignoriert mich. Klasse, mein Platz von letzter Woche ist noch zu haben – direkt neben der netten Sonja. Links neben mir sitzt heute Marie-Luise. Den Typ kennt man noch aus der Schule: lange, glatte, blonde Haare (natürlich alles echt), Klamotten von Benetton oder Esprit in Erd- oder Ocker-Tönen, ungeschminkt, natur-hübsch, wahrscheinlich unheimlich engagiert im Umweltschutz und weint wenn Tiere gequält werden. In meiner Klasse damals hieß diese Person Susi. Na gut, diese hier heißt Marie-Luise und: Sie nervt. June ist der Meinung, wir sollen in Gruppen ein paar Übungssätze erarbeiten, in denen die „modal verbs“ fehlen. Auf die Plätze fertig los: Noch bevor ich den ersten lückenhaften Satz überhaupt lesen konnte, sprudelt Marie-Luise schon alle 10 Lösungen heraus und schüttelt dann den Kopf ob meiner scheinbaren Trägheit. Auch ihrem mehrmaligen Drängen kann ich auch nicht mehr an mich halten und erbitte mir Ruhe zum Nachdenken – und sei es nur 10 Sekunden. Fazit: Sonja kichert, Marie-Luise schweigt beleidigt den Rest der Stunde, hebt aber weiterhin eifrig den Finger (rate mal ob sie schnipst!) und macht alles ganz ganz toll. Leider hat June nicht die richtige Brille dabei um unsere obligatorischen Namensschildchen zu lesen und ruft sie so lange mit wahlweise „Ann-Katrin“, „Anna-Maria“ oder „Eva-Maria“ auf, dass Marie-Luise auch böse auf sie wird und genervt verspricht, zur nächste Stunde natürlich ein anderes, selbstverständlich weitaus leserlicheres Schildchen zu malen.
Glückwunsch, basteln kann sie also auch J
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